Data Space Use Cases gibt es genug. Was fehlt, ist der Nachweis ihrer Alltagstauglichkeit – vor allem hinsichtlich Skalierung auf weitere Partner und ganze wertschöpfende Ökosysteme. Data Spaces sollen CO₂-Bilanzen vereinfachen, Lieferketten transparenter machen und Geschäftsmodelle vernetzen. Die Technik ist da. Doch sobald es um Governance, Haftung oder Fairness geht, wird es kompliziert, und viele Projekte bleiben im Pilotstatus stecken.
Genau an dieser Stelle treffen sich die Arbeiten von ScaleTrust und der International Data Spaces Association (IDSA) mit einem gemeinsamen Ziel: erfolgreiche und vertrauenswürdige Data Spaces fördern.
Daten brauchen Regeln, nicht nur Infrastruktur
Im Zentrum von ScaleTrust steht eine klare Idee: Daten teilen funktioniert nur, wenn alle Beteiligten sich auf verbindliche Rahmenbedingungen verlassen können. Die technische Übertragung ist wichtig, reicht aber nicht. Es braucht ein Modell, das Vertrauen und Vertraulichkeit sicherstellt.
Diese Rolle übernimmt im ScaleTrust-Ansatz der Datentreuhänder. Er ist ein neutraler Vermittler zwischen Datengeber und Datennutzer – wobei dies nicht impliziert, dass die Daten über ihn fließen müssen, sonderner stellt sicher, dass Nutzungsbedingungen eingehalten werden, Verträge automatisiert durchsetzbar sind und sensible Geschäftsdaten nicht unkontrolliert weitergegeben werden. (Im internationalen Kontext wird hier der Begriff „Data Space Governance Authority“ genutzt, und fallabhängig kann solch eine Organisation auch Services für den Datengeber übernehmen, wird dann „Data Intermediary“ genannt.) Kein theoretisches Konstrukt, sondern ein Modell, das zum Beispiel im Green Deal Dataspace konkret umgesetzt wird. Dort geht es darum, Lieferketten-, Emissions- oder Resilienzdaten sektorenübergreifend nutzbar zu machen.
Innovation: Vertrauenswürdige Data Spaces statt Datensilos
Neu ist nicht allein die technische Mischung aus Datenaggregation, Bewertung und Empfehlungen. Der entscheidende Sprung liegt in der Einbindung von vertrauenswürdigen Data Spaces im ScaleTrust-Projekt. Der Green Deal Dataspace e. V. implementiert und bietet hierbei die Data-Space-Technologie an; der Anwendungsfall des SCR dient als Blaupause für vielseitige Anwendungen und Services. Dadurch, dass Advaneo als Datentreuhänder und Operator des Green Deal Dataspace fungiert, können Unternehmen Risikodaten rechtssicher teilen, ohne Geschäftsgeheimnisse offenzulegen. Standardisierte Schnittstellen senken Integrationsaufwand; eine eigene IT-Landschaft ist nicht nötig.
Warum das jetzt wichtig ist
Der Handlungsdruck wächst. Ob neue EU-Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit, CO₂-Ausgleichszahlungen für Importe oder gesetzliche Anforderungen zur Verantwortung in Lieferketten: Unternehmen müssen (immer häufiger) belegen, woher ihre Rohstoffe stammen, wie groß ihre Emissionen sind und wie sie mit Risiken umgehen. Die dafür nötigen Daten liegen meist verteilt bei verschiedenen Akteuren. Ohne ein vertrauenswürdiges Modell für Datenaustausch bleiben viele Prozesse manuell oder intransparent, mit hohen Kosten und wenig Skalierbarkeit.
Die Rolle von IDSA und dem Dataspace Protocol
IDSA hat mit der Referenzarchitektur (Reference Architecture Model) wichtige Grundlagen gelegt: Rollen wie Datenanbieter oder -nutzer sind definiert, technische Prinzipien für föderierte Data Spaces beschrieben. Doch auch hier gilt: Technik allein genügt nicht. Was fehlt, ist die betriebliche Ebene, also der Umgang mit Verträgen, Kontrolle und Compliance im Alltag.
Das Dataspace Protocol setzt genau hier an. Es sorgt dafür, dass Datenangebote standardisiert gefunden, Verträge fair ausgehandelt, und die gewünschten Daten schlussendlich über die Data Plane der Wahl geteilt werden können. So werden unterschiedliche Data Spaces miteinander kompatibel. Ziel ist es, Insellösungen zu vermeiden und ein einheitliches Verständnis über die Funktionsweise von Data Spaces zu schaffen.
ScaleTrust ergänzt diese Entwicklung um die zentrale Rolle namens Datentreuhänder. Diese ersetzt keine bestehenden Rollen, sondern ist ein Intermediär, der Vertrauen durch rechtlich definierte Neutralität schafft. Für Datengeber bedeutet das: Sie behalten die Kontrolle. Für Datennutzer: Klarheit über Rechte und Pflichten, ohne jedes Mal individuelle Verträge aushandeln zu müssen.
Was das konkret heißt
Ein Beispiel: Ein Unternehmen möchte für seinen Nachhaltigkeitsbericht den CO₂-Fußabdruck seiner Lieferkette erfassen. Doch viele Zulieferer zögern, Produktionsdaten offenzulegen. Ein Datentreuhänder kann die Daten stellvertretend entgegennehmen, verarbeiten und zusammenfassen. Und zwar so, dass Vertraulichkeit gewahrt bleibt, aber die nötigen Informationen dennoch bereitgestellt werden.
Oder: In einer geopolitischen Krise bricht eine Lieferquelle weg. Data Spaces können helfen, frühzeitig alternative Anbieter zu finden. Aber nur, wenn die Daten von anderen Lieferanten transparent und rechtssicher zur Verfügung stehen.
An genau diesem Punkt treffen sich die Ziele von ScaleTrust und IDSA. Nicht nur technische Schnittstellen, sondern auch verbindliche Rollenmodelle und Governance-Strukturen standardisieren.
Ein Ausblick
Wenn Data Spaces skalieren sollen, reicht technische Interoperabilität nicht. Es braucht gemeinsame Spielregeln, die über Sektoren und Ländergrenzen hinweg funktionieren. ScaleTrust bringt diese Regeln in Form eines praxistauglichen Treuhändermodells auf den Weg. Nicht losgelöst, sondern im Zusammenspiel mit den Assets von IDSA wie dem Dataspace Protocol oder auch unter der Nutzung des IDSA Rulebook for Data Spaces, das als Basis für die Governance eines Data Spaces dienen kann. Die Grundlagen stehen. Jetzt braucht es konkrete Anwendungen. Unternehmen, Verbände und öffentliche Stellen sind gefragt, diese Modelle zu nutzen, weiterzuentwickeln und aktiv mitzugestalten.